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“Freundschaft geht durch den Magen” 

“Freundschaft geht durch den Magen” 

Paris. Ein kalter Dienstag im Januar 1963. Zwei mächtige Männer treffen in den hohen Hallen des Elysée-Palasts aufeinander. Zwei Männer, die in dem noch nicht so lange zurückliegenden Krieg auf verfeindeten Seiten standen: Der französische Staatspräsident Charles de Gaulle und der Bundeskanzler der BRD Konrad Adenauer. An diesem Tag jedoch zücken sie ihre Feder und unterschreiben ein historisches Dokument, welches aus ehemaligen Feinden Freunde machen soll. Ein Zeitsprung: Paderborn, 60 Jahre später. Am 22. Januar 2023 kommen Deutsche und Franzosen im Restaurant “Zu den Fischteichen” zusammen, um zu feiern. Dass sie einander verstehen, dass sie voneinander lernen und vor allem, dass sie genau das dürfen. 

„Was ich jetzt sage, das klingt freilich für manche Menschen unverzeihlich: Die Kinder sind genau die gleichen, in Paris wie in Göttingen…“. Mit diesem Zitat der französischen Sängerin Barbara eröffnet Birgit Kelliger, Vorsitzende der deutsch-französischen Gesellschaft Paderborn, das Dîner Amical 2023: Ein Fest der Freundschaft und der Versöhnung, wie es einst von Barbara besungen wurde, ermöglicht dank des Elysée-Vertrags. 

Wie sehr letzterer die letzten Jahrzehnte deutsch-französischer Beziehungen geprägt hat, wird an diesem Abend in Paderborn auf vielschichtige Art und Weise sichtbar. Begleitet von musikalischen Evergreens beider Länder und einem Vier-Gänge-Menü entstehen angeregte Gespräche zwischen Deutschen und Franzosen aller Generationen. “Ich bin so froh hier in Deutschland zu sein”, erklärt beispielsweise Emeline Rosante, französische Studentin des deutsch-französischen Studiengangs Europäische Studien, strahlend. Sie verbringt aktuell das erste von zwei Semestern an der Universität Paderborn und profitiert tagtäglich von den heute freundschaftlichen Beziehungen zwischen ihrem Heimatland und ihrer Wahlheimat. “Vor einigen Jahrzehnten wäre das nicht möglich gewesen.”, bekräftigt dies Arthur Buteau, ebenfalls französischer Studierender in Paderborn. Er erzählt von der anfänglichen Skepsis seiner Urgroßmutter, als er ihr vor einigen Jahren eröffnete, in Deutschland studieren zu wollen. Sie selbst habe die Zeit der Besatzung durch die Nationalsozialisten miterlebt, erklärt Arthur. 

“Ich bin so froh hier in Deutschland zu sein”, so Emeline Rosante, die sich aktuell im Auslandssemester an der Universität Paderborn befindet. Foto: Jule Barmwater

Während sowohl Franzosen als auch Deutsch zu Chansons wie Edith Piafs “La Vie en Rose” mitsummen, bleiben die Themen weiterhin ernst. So verweist Birgit Kelliger auf den oft zitierten deutsch-französichen Motor und warnt davor, dass eben jener zu stottern beginnen könnte. Damit trifft sie einen wunden Punkt, denn besonders seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine häufen sich die Berichte über eine vermeintliche diplomatische Krise zwischen Paris und Berlin. Indizien dafür waren Unstimmigkeiten in der Energie- und Verteidigungspolitik, sowie der im Herbst erstmals in seiner Geschichte verschobene deutsch-französische Ministerrat.

In ihrer Rede betont Kelliger die Bedeutung des deutsch-französischen Motors für Europa. Foto: Jule Barmwater

Gerade vor diesem Hintergrund sei es wichtig, so Kelliger, das diesjährige Jubiläum zu nutzen, um zu zeigen, wie wichtig der Fortbestand der deutsch-französischen Freundschaft für die Zukunft Europas sei. Hier sei besonders ein Aspekt von Bedeutung, so Tim Basler, Student der Europäischen Studien: eben jene Freundschaft müsse für jede*n erfahrbar bleiben. 

Die deutsch-französische Freundschaft muss erfahrbar bleiben, so Tim Basler in seiner Rede anlässlich des Dîner Amical. Foto: Jule Barmwater

Ein deutsch-französisches Dîner ist womöglich ein geeigneter erster Schritt. So stellt die stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Paderborn Sabine Kramm fest: “Freundschaft geht oft durch den Magen.” 

 

Text und Fotos: Jule Barmwater

Redaktion: Rahel Schuchardt